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Aktualisierte Evidenz zu Covid-19-, RSV- und Influenza-Impfstoffen für die Saison 2025–2026

  • Autorenbild: Leon Wirz
    Leon Wirz
  • 8. Dez.
  • 4 Min. Lesezeit

Eine umfassende Evidenzübersicht aus dem NEJM (Dezember 2025), Stanford University, University of Minnesota, Massachusetts General Hospital & Partner

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Einleitung

Atemwegsviren dominieren weiterhin die winterliche Krankheitslast weltweit. Covid-19, RSV und Influenza sind nach wie vor für einen grossen Anteil der saisonalen Krankenhauseinweisungen und Intensivstation-Behandlungen verantwortlich. Während sich unsere Immunitätslandschaft verändert und sich Viren weiterentwickeln, benötigen Gesundheitssysteme solide, unabhängige Einschätzungen zur Leistungsfähigkeit von Impfstoffen.

Eine neue systematische Übersichtsarbeit, veröffentlicht im New England Journal of Medicine, bewertet 511 Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit von Atemwegsvirus-Impfstoffen für die Saison 2025–2026.

Diese Analyse ist nicht nur aufgrund ihres Umfangs bedeutsam, sondern auch ihres Timings: Während manche Länder Unsicherheiten bei Impfempfehlungen erleben, bietet diese Arbeit eine stabile, evidenzbasierte Orientierung. Für die Schweiz, in der Wintersaisons regelmässig Krankenhäuser belasten und Versicherungsaufwendungen steigen lassen, sind diese Erkenntnisse besonders relevant.

Die zentrale Erkenntnis

Über alle drei Virusfamilien hinweg ergibt sich eine klare Botschaft:

Impfstoffe reduzieren das Risiko für schwere Erkrankungen und Hospitalisierungen weiterhin deutlich, und ihre Sicherheitsprofile bleiben konstant stark.

Aktualisierte Covid-19-Impfstoffe (XBB.1.5 und KP.2), kürzlich zugelassene RSV-Immunisierungen (maternale Impfung, Nirsevimab für Säuglinge und Impfstoffe für ältere Erwachsene) sowie saisonale Influenza-Impfstoffe zeigen in realen Anwendungsszenarien deutliche Schutzwirkungen. Schwere Nebenwirkungen bleiben selten und sind deutlich seltener als die durch Infektionen verursachten Risiken.

Kurz gesagt: Moderne Atemwegsimpfstoffe erfüllen ihren Zweck, auch angesichts der fortlaufenden Virusentwicklung.

Wie die Studie durchgeführt wurde

Die Autor*innen führten eine systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse durch. Über 17'000 Publikationen wurden gescreent, davon 511 eingeschlossen. Die Studien umfassten randomisierte kontrollierte Studien, Kohortenstudien, Fall-Kontroll-Studien und grosse nationale Überwachungssysteme.

Analysiert wurden Hospitalisationen, symptomatische Infektionen, ICU-Aufenthalte, Mortalität, Long-Covid-Symptome, Schwangerschaftsergebnisse sowie seltene unerwünschte Ereignisse wie Myokarditis oder Guillain-Barré-Syndrom. Random-Effects-Modelle wurden zur Zusammenführung der Daten genutzt, ergänzt durch Sensitivitätsanalysen.

Da nur Studien berücksichtigt wurden, die nach den jüngsten ACIP-Empfehlungen publiziert wurden, bildet die Analyse den aktuellsten Stand der realen Impfstoffleistung ab.

Zentrale Ergebnisse

Covid-19-Impfstoffe

Die an XBB.1.5 angepassten Covid-19-Impfstoffe zeigten moderaten bis hohen Schutz vor Hospitalisation über alle Altersgruppen hinweg. Bei Erwachsenen lag die Wirksamkeit gegen Hospitalisation zwischen 46–50%, bei Personen ab 65 Jahren bei etwa 56%. Immungeschwächte Personen profitierten mit 37% etwas weniger, jedoch weiterhin klinisch relevant. Eine Studie zum KP.2-angepassten Impfstoff berichtete 68% Schutz.

Das Sicherheitsprofil entsprach früheren Musterergebnissen: Myokarditis bei männlichen Jugendlichen blieb selten (1,3–3,1 pro 100'000 Dosen) und hing stark vom Impfintervall ab. Für Schwangerschaften fanden sich keine erhöhten Risiken, im Gegenteil: Mehrere Studien deuteten auf ein geringeres Risiko für Frühgeburten hin. Für Guillain-Barré zeigte sich kein konsistenter Zusammenhang.


RSV-Immunisierung

Besonders starke Ergebnisse ergaben sich für den RSV-Schutz bei Säuglingen. Sowohl die maternale RSVpreF-Impfung als auch Nirsevimab (ein monoklonaler Antikörper) zeigten hohe Wirksamkeit. Nirsevimab reduzierte Hospitalisationen um 79–83%, ICU-Einweisungen ähnlich stark. Die maternale Impfung senkte RSV-Hospitalisationen von Säuglingen um 68%.

Für Erwachsene ab 60 Jahren lag die Wirksamkeit der RSV-Impfstoffe konstant bei etwa 79% gegen Hospitalisation.

Auch hier waren die Sicherheitsdaten beruhigend: Befürchtungen eines erhöhten Frühgeburtsrisikos bestätigten sich nicht, wenn das Impfzeitfenster (32–36 SSW) eingehalten wurde. Bei älteren Erwachsenen zeigte RSVpreF einen kleinen, aber messbaren Anstieg des Guillain-Barré-Risikos (etwa 18 zusätzliche Fälle pro 1 Million Dosen).


Influenza-Impfstoffe

Influenza-Impfstoffe lieferten erneut stabile und zuverlässige Schutzwirkungen. Bei Kindern erreichte die Wirksamkeit gegen Hospitalisation 67%, bei Erwachsenen zwischen 18–64 Jahren 48%. Ältere Erwachsene profitierten besonders von Hochdosis- oder adjuvantierten Formulierungen.

Das Sicherheitsprofil blieb solide: keine erhöhten Risiken für Fehlgeburten, Fehlbildungen, Totgeburten oder hypertensive Schwangerschaftserkrankungen. Hinweise auf Schlaganfälle oder Guillain-Barré bestätigten sich in hochwertigen Analysen nicht.

Limitierungen der Studie

Trotz ihrer Breite hat die Analyse Einschränkungen. Viele eingeschlossene Studien waren beobachtend, was trotz Adjustierungen zu Verzerrungen führen kann. Die rasche Virusevolution kann Wirksamkeitsschätzungen im Laufe der Saison verändern. Nicht erfasst wurden unveröffentlichte Echtzeit-Überwachungsdaten und Studien ausserhalb des Suchzeitfensters.

Dennoch blieben die Ergebnisse stabil, selbst wenn Studien mit höherem Bias-Risiko ausgeschlossen wurden.

Relevanz für die Schweiz

Die Schweiz erlebt wiederkehrende Wintersaisons mit hoher Belastung der Krankenhäuser, sinkender Arbeitsproduktivität und steigenden Kosten in der obligatorischen Krankenversicherung. Die Ergebnisse dieser Analyse unterstreichen mehrere national bedeutsame Strategien:

  • Maternale RSV-Impfung und Nirsevimab für Säuglinge könnten pädiatrische Wintereinweisungen deutlich senken. Ein entscheidender Punkt für Schweizer Kinderspitäler.

  • Jährliche Covid-19- und Influenza-Impfung für ältere Erwachsene stabilisiert die ICU-Kapazitäten.

  • RSV-Impfung für Personen ab 60 reduziert schwere Verläufe und Winterbelastungen.

  • Koadministration (Covid + Influenza + RSV in einem Termin) ist sicher und könnte die Impfquote in Apotheken und Hausarztpraxen erhöhen.

Jede verhinderte Hospitalisation (insbesondere eine Intensivstation-Einweisung) hat direkte finanzielle Auswirkungen auf Versicherer und Kantone.


Potenzielle Auswirkungen einer erfolgreichen Impfstrategie

Erhöhte Impfquoten wirken sich im Alltag schnell aus:

Für Familien mit Neugeborenen bedeutet es weniger RSV-bedingte Notfallbesuche und kürzere Aufenthalte in überfüllten pädiatrischen Stationen.

Ältere Erwachsene gelangen seltener wegen Lungenentzündungen oder Atemversagen ins Krankenhaus und können häufiger zu Hause genesen, statt lange Reha-Phasen zu durchlaufen.

Krankenhäuser erleben weniger Winterhochs, wodurch Notaufnahmen funktionsfähig bleiben und das Pflegepersonal entlastet wird.

Arbeitgeber profitieren von weniger Krankheitstagen und geringeren langfristigen Ausfällen, besonders im Winter.

Für Versicherer reduziert jede verhinderte Hospitalisation (insbesondere eine Intensiv-Behandlung) die Kosten erheblich.

Für die Gesellschaft bedeutet eine höhere Impfquote: stabilere Schulen, Arbeitsplätze und ein widerstandsfähigeres Gesundheitssystem.


Risiken

Impfstoffe bleiben insgesamt sehr sicher, doch bestätigt die Analyse einige wenige, seltene Risiken. Myokarditis nach mRNA-Covid-Impfungen tritt hauptsächlich bei männlichen Jugendlichen auf und hängt vom Dosisintervall ab. Bei älteren Erwachsenen ist das Guillain-Barré-Risiko nach RSVpreF leicht erhöht. Ein schwaches Schlaganfallsignal nach Hochdosis-Influenzaimpfungen aus einem Datensatz wurde in anderen Studien nicht bestätigt.

Diese Risiken bleiben jedoch deutlich geringer als jene, die durch schwere Atemwegsinfektionen verursacht werden.

Gesamtbeurteilung

Die NEJM-Übersicht bietet eine der umfassendsten Bewertungen der Atemwegsimpfstoffe, die bislang veröffentlicht wurden. Die Schlussfolgerung ist klar: Covid-19-, RSV- und Influenza-Impfstoffe schützen weiterhin zuverlässig vor schweren Krankheitsverläufen und weisen ausgezeichnete Sicherheitsprofile auf.

Für die Schweiz, wo Winterwellen die Krankenhauskapazitäten regelmässig herausfordern, bleiben diese Impfstoffe ein zentraler Baustein der öffentlichen Gesundheitsplanung und Kostenkontrolle.

Ausblick

Für kommende Saisons sind aktualisierte Covid-19-Formulierungen zu erwarten, eine breitere Einführung der maternalen RSV-Impfung in Europa, potenziell universelle Nirsevimab-Programme für Säuglinge und strukturiertere «Triple-Vaccine»-Termine in klinischen Settings. Schweiz- und Europa-spezifische Daten werden diese Strategien weiter verfeinern.

Referenz

Scott J, Abers MS, Marwah HK, McCann NC, Meyerowitz EA, Richterman A, Fleming DF, Holmes EJ, Moat LE, Redepenning SG, Smith EA, Stoddart CJ, Sundaram ME, Ulrich AK, Alba C, Anderson CJ, Arpey MK, Borre E, Ladines-Lim J, Mehr AJ, Rich K, Watts C, Basta NE, Jarolimova J, Walensky RP, Dugdale CM. Updated Evidence for Covid-19, RSV, and Influenza Vaccines for 2025-2026. N Engl J Med. 2025 Dec 4;393(22):2221-2242. doi: 10.1056/NEJMsa2514268. Link

 
 
 

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